Albanien? Seid aber schön vorsichtig!
Als wir in Montenegro und Kroatien unserer weiteren Reisepläne auf den Tisch legten wurden wir von verschiedenen Seiten gewarnt. Albanien sei gefährlich, die Leute wollen einen nur über den Tisch ziehen und die Autofahrer seien die Schlimmsten in ganz Europa. Der letzte Punkt stammt übrigens aus dem Mund eines Taxifahrers, welcher gerade mit seinem Handy am Ohr ein Auto trotz ziemlich starkem Gegenverkehr überholte. Wir sollen ja nicht mit den Leuten sprechen, möglichst jeden Kontakt mit ihnen vermeiden und möglichst schnell durch das Land reisen.
Das waren ja mal Warnungen. Gespannt und voller Vorfreude näherten wir uns dem Zoll. Was für ein Volk von Verbrechern wird uns wohl auf der anderen Seite erwarten?
Zuerst wurden wir vom Zöllner freundlich an den Autos vorbei gewunken und im Schnellverfahren abgewickelt. Auch gleich hinter der Grenze wurde uns von Arbeitern auf einem Gerüst freundlich zu gewunken, so dass sie beinahe vom Gerüst fielen. Und die sollen gefährlich sein? Nach den Stories in Montenegro und Kroatien hätten wir eigentlich erwartet, dass hier mit Steinen auf uns gezielt wird, aber jeder hatte nur ein freundliches Lächeln, ein freudiges Winken oder einfach ein lautes „Hello“ für uns übrig. Kinder rannten auf uns zu. Wollen die uns etwa vom Velo stossen? Weit gefehlt. Ihr Ziel war nur, mit uns abzuklatschen.
So ging es auch auf einem Ausflug von mir in die Stadt Shkodër weiter. Zuerst traf ich in der Stadt auf Benjamin, den Franzosen, und wechselte mit ihm ein paar Sätze auf Französisch. Nachdem ich mich wieder von ihm verabschiedet hatte, wurde ich sofort von einem Albaner auf französisch angesprochen. Er habe gehört, dass ich französisch spreche. Er selbst wohne in Belgien, sei aber bereits seit drei Monaten in Albanien und vermisse es, französisch zu sprechen. Ob ich nicht Lust hätte mit ihm einen Kaffe zu trinken und ein wenig zu plaudern. War das jetzt etwa so ein gefährlicher Albaner, welcher mich in eine Falle locken wollte? Natürlich liess ich mich nicht einschüchtern und freute mich auf ein spannendes Gespräch. Er erzählte, dass er in Liege lebt und dort selbst ein Kaffe führt, 2 Kinder hat und jetzt einfach auf Besuch in seiner Heimat ist. Zum Abschluss bezahlte er auch ganz selbstverständlich den Kaffee. So wie dies Schwerverbrecher üblicherweise machen.
Danach entdeckte ich per Zufall ein Fahrradgeschäft und erinnerte mich daran, dass ich noch ein Ersatzbremskabel kaufen wollte. Gespannt betrat ich den Laden und versuchte dem Verkäufer mittels Zeichensprache zu erklären, was genau ich brauche. Er wusste sofort Bescheid und fragte mich gleich, ob ich Deutsch spreche. Mein Bejahen verleitete ihn zur Annahme, dass ich Deutscher bin und er kramte eine Deutschlandflagge hervor. Meine Versuche ihm zu erklären, dass ich Schweizer sei und nicht Deutscher, waren wohl nicht ganz von Erfolg gekrönt. Auf jeden Fall kriegte ich das Bremskabel als nun Neudeutscher geschenkt. Wie das bei Gaunern so üblich ist.
Auf dem Retourweg zum Guesthouse hielt plötzlich ein Mercedes neben mir. Jetzt ist es so weit, jetzt werde ich entführt. Doch weit gefehlt. Der Mercedesfahrer fragte mich in bestem Englisch ob ich wisse wohin ich wolle, die Hauptstrasse sei nämlich 200 Meter weiter links. Als ich ihm erklärte dass ich ins Guesthouse Florian wolle, bot er mir sogar an, mich dorthin zu fahren. Aber die 300 Meter schaffe ich dann auch noch locker zu Fuss und lehnte dankend ab. Mit einem „Faleminderit“ (Danke) verabschiedete ich mich von einem weiteren äussert gefährlichen Albaner und er fuhr mit einem grossen Lachen im Gesicht davon. Ich lache auch und freue mich auf viele weitere gefährliche Begegnungen.
Nachtrag: Die heikle Begegnung kam dann leider doch noch und ein Stein flog in unsere Richtung (siehe Story Hetzjagd von Alena). Aber ein negatives Erlebnis, sehr wahrscheinlich durch jugendlichen Übermut hervorgerufen, konnte den sonst eigentlich sehr positiven Gesamteindruck nicht zerstören. Trotzdem waren wir froh, als wir das Land Richtung Mazedonien verlassen konnten. Das zum Teil pausenlose Gehupe der Autofahrer und die aufdringliche Art, wie das Jubiläum zur 100jährigen Unabhängigkeit Albaniens zur Schau gestellt wurde, nagte mit der Zeit ziemlich an unseren Nerven.
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