Lebensmüde
Was macht ein Mann, der mit der linken Hand ein Post-it-Block festhält, das Handy zwischen Ohr und Schulter geklemmt hat und dabei eine Nummer aufschreibt?
Ist doch logisch: er steuert ein Taxi. Mit dem linken Ellenbogen, bei Tempo 80 plus.
Dass er ganz nebenbei auch noch für das Leben der 7 Insassen verantwortlich ist, scheint ihn nicht zu interessieren. Wir sind ihm und seiner miserablen Fahrweise über 5 Stunden ausgeliefert, auf der ganzen Strecke von Naryn bis Bishkek.
Marcel musste vorne links Platz nehmen. Der Wagen ist - wie angeblich rund 52’000 Autos in Kirgistan - rechts gesteuert. Die sind günstiger im Import. Der Haken: die Fahrer müssen beim Überholen ganz auf die linke Spur wechseln um zu sehen, ob die Gegenfahrbahn frei ist.
Ob da was kommt scheint ihnen häufig egal zu sein. Immer wieder haben wir beobachtet, wie sie blind in einer Kurve überholen. Jeden Moment muss man damit rechnen, von einem entgegen kommenden Auto während des Überholmanövers über den Haufen gefahren zu werden. Nicht selten überholen sie zu zweit einen Laster und belegen die ganze Breite der Gegenfahrbahn. Nicht so lustig, wenn man auf dem Fahrrad sitzt und blitzschnell die Strasse verlassen muss, um den Idioten Platz zu machen. Einmal wurden wir von einem Lastwagen laut hupend in die Mitte gedrängt, damit er in hohem Tempo knapp an uns vorbei donnern kann. Rechts.
Ein weiteres Problem stellt der Alkohol dar. Wie in vielen Ländern der ehemaligen Sowjetunion gehört dieser hier einfach dazu. Nach 17 Uhr sind wir konsequent nicht mehr gefahren. Autofahrer haben uns aber auch schon morgens um 10 Uhr Wodka angeboten. Powershot auf kirgisisch. Na dann Prost.
Von anderen Reisenden haben wir gehört, dass man den Führerschein leicht gegen Bezahlung erwerben kann. Laut diesem Bericht zusammen mit der Bestätigung für die absolvierte Fahrschule. Das allerdings erklärt einiges.
Wir sind froh, dass wir hauptsächlich auf Nebenrouten unterwegs waren. Sie rasen auf diesen Pisten zwar auch mit überhöhtem Tempo und bremsen wegen Radfahrern oder Tierherden kein bisschen ab. Aber immerhin kann man diese Momente pro Tag fast an einer Hand abzählen.
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