China

25.9. - 18.11.2013 Statistik

Statistik China

  1. 54 Tage im Land
  2. 47 Nächte in Unterkunft
  3. Keine Nächte Privat
  4. 7 Nächte im Zelt
  5. 23 Tage im Sattel
  6. 1335 km / 19008 hm
  7. 5 Pannen

Unsere Route auf Google maps

Geduld, Geduld

Wir erleben momentan so viel, dass wir noch keine Zeit hatten, unseren Blog zu aktualisieren. Wir holen dies so schnell wie möglich nach!

Aufklärungsarbeit am chinesischen Zoll

Nach dem kirgisischen Zoll müssen wir im Niemandsland zwei Stunden vor einem grossen Eisentor warten, bis der chinesische Transport eintrifft. Diesen müssen alle Individualreisende organisieren, da man auf dem 100 km langen Abschnitt zwischen den zwei chinesischen Grenzposten nicht selber fahren darf. Als der Wagen eine Stunde verspätet eintrifft, werden wir zur Begrüssung gleich mal angeschnauzt, weil wir ein Fahrrad dabei haben. Welch netter Empfang! An dem Kommunikationsproblem zwischen dem CBT Office und dem Transportunternehmen tragen wir natürlich absolut keine Schuld. Wir können von Glück reden, dass sie uns mit einem geräumigen Minivan abholen und wir alles ohne Probleme verstauen können.

Am ersten der zwei Grenzposten wird unser Gepäck gründlich durchsucht. Sie fragen uns, ob wir Messer, Kartenmaterial und verbotene Bücher dabei haben und wollen die eBook-Reader sehen. Sie klicken sich frisch-fröhlich durch unsere MacBooks und schauen sich Fotos an, auch auf unseren Kameras. Ausserdem verteilen sie den gesamten Inhalt unserer Taschen auf dem Tisch: vom Pfannendeckel bis zur schmutzigen Unterwäsche.

Marcel steht mit meiner Tasche am Tisch nebenan. Plötzlich höre ich einen der Zollbeamten rufen “What’s this?”. Er streckt einen Tampon in die Höhe, sechs Augenpaare schauen mich fragend an. Das darf doch nicht wahr sein! Da steht eine Gruppe erwachsener Männer und keiner hat eine Ahnung, was mit diesem Baumwollstöpsel anzufangen ist?

Ach, den kann man für alles mögliche verwenden. Bei Nasenbluten zum Beispiel. Oder um lange Busfahrten mit Durchfall zu überstehen.

Natürlich kommt uns dieser Blödsinn in diesem Moment nicht in den Sinn. Stattdessen versucht es Marcel mit “blood” und “monthly”, ich mit “period” und “lady stuff”. Keine Reaktion. Unser Fahrer eilt zur Hilfe und klärt die Runde auf, worauf die Männer in peinlich berührtes Lachen ausbrechen.

“What’s this?”, höre ich schon wieder. Sie haben meinen p-Style entdeckt: ein Plastiktrichter, mit dem auch Frauen (fast) überall und jederzeit im Stehen pinkeln können. Marcel schmunzelt schadenfreudig und fordert mich auf, die Runde aufzuklären. Ich habe schlicht nicht den Nerv für eine Pantomime-Einlage oder lange Diskussionen. Ungeachtet der Fragen oder Fantasien, die es in den Köpfen der Männer auslösen mag, antworte ich mit einer abwinkenden Handbewegung: “Aaah, lady stuff”.

Das war wohl zuviel des Guten für einen Morgen. Die Männer geben sich geschlagen und lassen die seltsamen Aliens ziehen. Nihao China!

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Stäbchen gegen Reisnudeln

Der Einstieg in China könnte sanfter kaum sein. Die Einwohnerzahl Kashgars beträgt nicht mal eine halbe Million - für China eine Kleinstadt. Zudem treffen wir im alten Stadtkern (von dem leider nicht mehr viel übrig ist) auf viele Uiguren, die an jeder Strassenecke Hammel rösten. Für uns nach Zentralasien ein vertrautes Bild. Trotzdem kommen wir im modernen Teil der Stadt nicht aus dem Staunen raus und die Hochhäuser, Konsumtempel, Elektroscooter und blinkenden Lichter erschlagen uns beinahe.

Im Hostel treffen wir auf viele Tourenradler, die hier alle ihre Weiterreise durch China planen. Am ersten Abend stürzen wir uns zusammen mit den beiden Österreichern Heidi und Markus in ein Hotpot Restaurant und stellen uns einer grossen Herausforderung: Wie kriege ich mit Stäbchen diese glitschigen, viel zu langen Reisnudeln aus dem Fonduetopf? Wir unterhalten mit unserer Gaudi das gesamte Restaurant. Es ist absolut fantastisch, wie viele ungewohnte Geschmäcker sich allein am ersten Abend in unseren Gaumen entfalten. An die Schärfe müssen wir uns erst noch gewöhnen.

Heidi und Markus reisen vor uns weiter, geplante 48 Stunden mit dem Bus nach Xining. Lieber sie als wir! Aber auch die Vorstellung, die Taklamakan-Wüste zu durchradeln, finden wir wenig prickelnd. So schön ihr Name auch klingt - 1000km durch ewig gleiche Landschaft zu strampeln, dafür ist uns unser Visum zu schade. China bietet so viel Abwechslung, da wollen wir unsere Zeit lieber in interessanteren Gegenden verbringen. Deshalb planen wir, mit dem Zug weiter zu reisen. Das dauert zwar einen Tag länger als mit dem Bus, dafür ist es einiges komfortabler.

Blöd nur, dass gerade der Nationalfeiertag und somit die grossen Ferien vor der Tür stehen. Der Zug ist auf eine Woche ausgebucht. So bleibt uns nichts anderes übrig, als Tickets für die lange Busfahrt zu kaufen. Immer noch besser als rumsitzen und warten. Denken wir uns zu diesem Zeitpunkt noch.

Auf eines haben wir uns schon lange gefreut: auf den sonntäglichen Viehmarkt. Seit über 2’000 Jahren wird auf diesem grössten Markt in ganz Zentralasien mit Nutztieren gehandelt. Sehr spannend zu beobachten, wie über Kamele, Yaks, Schafe und Pferde gefeilscht wird und die Geschäfte per Handschlag geschlossen werden. Zimperlich wird mit den Tieren nicht umgegangen. Ziegen fliegen vom und auf den Laster und Schafe werden so eng um die Hälse zusammen gebunden, dass manche fast ersticken. Einige segnen noch auf dem Platz das Zeitliche und werden in den Garküchen des Marktes frisch verarbeitet.

Inmitten des bunten Treibens treffen wir auf Rosy und Andy, zwei Tourenfahrer aus der Schweiz. Auf dem Rückweg in die Stadt erfahren wir, dass Rosy Marcels Schwester Karin kennt, und dass sie von einer gemeinsamen Freundin bereits von uns gehört haben. Einmal mehr: die Welt ist klein! Später tauschen wir beim Kampf Stäbchen gegen Aubergine Reiseerlebnisse aus. Leider bleibt uns nur ein Abend, da wir uns am nächsten Tag in den Bus setzen und sie die Wüste unter die Räder nehmen.

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46 Stunden im Stink- und Rotzbus

Ich kann es immer noch nicht glauben, dass wir tatsächlich im Bus Richtung Osten sitzen. Oder besser gesagt liegen. Das Gefährt ist mit Liegebetten für 43 Leute ausgestattet. Dreiundvierzig! Zweistöckig, in drei Reihen, ohne Gepäckablage und mit stinkenden Wolldecken. Die Liegen sind gegen das Kopfende nach oben gewölbt - unter diese Wölbung steckt die Sardine hinter einen die Füsse. Die Zwischengänge sind so eng, dass man auch als schmale Person die Schultern abdrehen muss, um durchzukommen. Die rund 50cm breiten Betten sind so kurz, dass sogar ich mit meinen bescheidenen 165 cm auf dem Rücken liegend die Beine nicht strecken kann. Es ist mir ein Rätsel, wie Marcel seine 20cm mehr auf die Pritsche gefaltet kriegt.

Am Anfang kann ich der Situation noch halbwegs Positives abgewinnen. Schliesslich haben wir unsere Kindles mit (Hör-)Büchern gefüttert und finden nun endlich Zeit, diese zu geniessen. Der Bus füllt sich aber immer mehr, bis schliesslich jedes Bett belegt ist. Eine Familie mit einem Kleinkind und einem Baby liegen direkt hinter uns. Die Kleinen verhalten sich zum Glück erstaunlich ruhig. Und als die Mutter 30 cm hinter Marcels Kopf die volle Windel wechselt, schläft dieser tief und fest.

Die Luft im Bus verschlimmert sich von Minute zu Minute. Es hilft auch nicht, dass man nur ganz hinten das Fenster ein klein wenig öffnen kann. Und auch nicht, dass die Fahrer und ein Passagier sich ständig eine Zigarette anzünden. Wir können von Glück reden, dass sich all die anderen Raucher rücksichtsvoller verhalten.

An das restliche Verhalten müssen wir uns erst noch gewöhnen. Die Chinesen rotzen was das Zeug hält und schleudern den hochgezogenen Schleim aus sich raus. Immerhin deponieren sie ihre Sekrete in den Abfalleimern, die in den Gängen stehen. Ich bin ihnen äusserst dankbar für ihre Rücksichtnahme, denn der Bus darf nicht mit Schuhen betreten werden. Dafür muss man aufpassen, dass man mit den Socken nicht auf den Apfelhäuten ausrutscht, die auf dem Boden verstreut liegen.

Auch der Umgang untereinander und mit uns ist gewöhnungsbedürftig. Sie reden meist sehr laut und in unseren Augen aggressiv. Auf uns macht es den Anschein, als ob sie sich ständig zankten oder uns zurechtweisen. Die Fahrer haben auch nach 2 Tagen nicht kapiert, dass wir kein Chinesisch sprechen. Wenn wir zu verstehen geben, dass wir nichts verstehen, lachen sie uns aus. Jedes Mal. Oder ist es ein für uns ungewohntes Verlegenheitslachen wegen der Sprachbarriere? Hauptsache sie haben ihren Spass an dieser Fahrt.

Spass scheint es ihnen auch zu machen, uns zu quälen. Den ganzen ersten Abend warteten wir darauf, dass der Bus zum Abendessen hält. Fehlanzeige. Dann endlich, am Morgen früh um 04:30 Uhr, 16 Stunden nach Abfahrt in Kashgar, halten wir an einer kleinen Garküche. 12 Stunden später gibt es einen weiteren Stopp, und ein letztes Mal um Mitternacht des zweiten Tages.

Die weitaus grössere Qual ist jedoch die Abstände der WC-Stops. Die sind so gross, dass wir mit der Zeit fast nichts mehr trinken. In den zwei Tagen nehmen wir etwa so viel Flüssigkeit zu uns wie sonst an einem Morgen. Dennoch ist meine Blase fast vor dem Zerreissen, als wir 7 Stunden (!) nach der ersten Essenspause endlich wieder anhalten. Meistens hat es keine WC Häuschen, also hocken sich alle neben der Strasse hin. Auch bei den Restaurants. Der Höhepunkt: einmal stapfen wir in der Nacht in ein mit Zeltplane überspanntes Gemäuer. Das Einzige, was man im Dunkeln ausmachen kann, sind die Papierfetzen auf dem Boden und das Leuchten der Handydisplays. Bei den Männern zudem die Glimmstengel. Die Frauen und Männer schnattern fröhlich miteinander, während sie ihr Geschäft erledigen. Wie kriegen sie unter diesen Umständen ihre Mäuler auf?! Der Gestank ist fast nicht zu ertragen. Ebenso wenig der Gedanke, wie der Boden wohl bei Tageslicht aussieht. Nun ist mir auch klar, wieso der Bus nicht mit Schuhen betreten werden darf.

WCs im eigentlichen Sinn gibt es nur zwei Mal auf der gesamten Strecke. Wobei die chinesischen Toiletten für europäische Verhältnisse ziemlich gewöhnungsbedürftig sind. Türen gibt es keine, sondern nur niedrige Trennwände an der Seite. Manchmal fehlen diese auch komplett. Ganz nach dem Motto Gemeinsam kackt es sich schöner. Oder: Einsam pinkeln ist öde. Man hockt sich also unter Beobachtung der Wartenden über eine Rinne und hofft, dass die Spülung nicht genau in dem Moment losgeht. Dann schwemmt es nämlich den ganzen Dreck seit der letzten Reinigung unter einem durch. Das Ziel ist es also, wenn immer möglich die hinterste Nische zu ergattern.

Trotz allem: was auf der ganzen Strecke an unseren Fenstern vorbei zieht, bestätigt uns in unserem Entscheid, diesen Abschnitt der Reise nicht mit dem Rad abzustrampeln. Die Fahrt hat schlussendlich 120 Minuten weniger lang gedauert als erwartet, also nur 46 Stunden. Ein kleiner Trost, aber wenigstens einer.

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Smart Monks?

In Xining treffen wir völlig überraschend wieder auf Manuela & Philipp. Die Wiedersehensfreude ist riesig und der Entschluss, gemeinsam durch Osttibet zu radeln, ist schnell gefasst.

Durch landschaftlich wunderschöne und abgelegene Täler, vorbei an vielen Nomaden mit ihren riesigen Yakherden geht es zu den berühmten Orten Tongren, Labrang und Langmusi. Immer wieder wehen uns Gebetsfahnen entgegen und wir radeln an Stupas vorbei. Die Bevölkerung ist sehr herzlich und wir geniessen die Fahrt in vollen Zügen.

Erstaunt stellen wir fest, dass viele neue Tempelanlagen gebaut werden. Ist dies ein Zugeständnis der chinesischen Regierung an die Tibeter, um diese ruhig zu halten?

Einen etwas zwiespältigen Eindruck hinterlassen die osttibetischen Mönche. Waren wir uns von anderen buddhistischen Gebieten wie Ladakh (Nordindien) oder Nepal ihre ruhige, freundliche und bescheidene Art gewohnt, so wird hier, sobald wir uns einem Tempel nähern, nach Geld geschrien. Einmal auch, als wir nur in den Strassen herumschlendern und gar nicht die Tempel besuchen wollen.

Es fällt auch auf, dass die Kaffees und Restaurants oft sehr gut von Mönchen frequentiert werden. Ebenfalls besitzen praktisch alle Mönche mindestens ein iPhone oder ein anderes Smartphone. In einem Kaffee erklärte uns dann die Besitzerin, dass viele Mönche Geld von Verwandten, Bekannten und auch Pilgern erhalten. Im Gegenzug beten die Mönche für die Geldgeber; “Prayer-Outsourcing” sozusagen. Mit diesem Geld kaufen sie sich Smartphones und finanzieren sich die Kaffee und Restaurantbesuche. Oft seien die Telefone auch gefälscht. Das iPhone sei besonders beliebt, da es in tibetischer Sprache bedient werden könne. Die Mönche nutzen auch Gruppenchatfunktionen, um sich untereinander auszutauschen. Bei einigen Klosterbesuchen hingen die Mönche die ganze Zeit an der Strippe oder waren am chatten. Viel Zeit für Gebete für die Leute, welche ihnen diesen Luxus finanzieren, blieb ihnen da bestimmt nicht mehr übrig.

In Labrang besuchen wir eines der sechs wichtigsten Klöster des Gelbmützen Ordens. Zu seiner Blütezeit lebten bis zu 4’000 Mönche in diesem Kloster. Heute ist die Anzahl auf 1’200 begrenzt. Die Tibeter hier fühlen sich eng verbunden mit ihren Landsleuten vom tibetischen Hochland und Demonstrationen in Labrang in Folge der Aufstände in Lhasa im Jahr 2008 führten dazu, dass die Gegend um Labrang für Touristen bis 2010 gesperrt war.

Wir mischen uns in der Morgendämmerung unter die tibetischen Gläubigen und absolvieren mit ihnen die 3km lange Kora (Pilgerpfad). Erwartet haben wir einen bedächtigen und gemütlichen Morgenspaziergang. Doch die tibetischen Pilger zischen in einem Affenzahn an uns vorbei, überholen wo es nur geht oder tauschen den neuesten Tratsch untereinander aus. Sogar gebrechliche Leute am Stock legen ein unglaubliches Tempo an den Tag. Ok, wenn ich diesen Weg jeden Tag bis zu achtmal zurücklegen müsste, dann würde ich den Prozess mit der Zeit wohl auch etwas beschleunigen.

Um uns einen noch besseren Eindruck der Grösse der Klosteranlage zu beschaffen und einen detaillierteren Eindruck des Mönchsalltags zu erhalten, schliessen wir uns in Labrang der offiziellen Führung durch das Kloster an. Doch dies ist ein ziemlicher Reinfall. Der Mönch, welcher die Tour führt, lässt uns wissen, dass er keine Fragen beantworte, da wir den Buddhismus eh nicht verstehen. Er hätte 25 Jahre Buddhismus studiert und zwei bis drei Stunden würden uns nicht reichen, um den Buddhismus kennen zu lernen. Wir seien mit unseren Gedanken sowieso zu Hause. Danke. Ist dies nicht gerade das Ziel einer solchen Führung? Sollte diese nicht einen Einblick in eine für uns fremde Welt ermöglichen? Von buddhistischem Mitgefühl kriegen wir nicht viel zu spüren. Die Führung ist dann auch nach einer Stunde beendet. Unsere Gruppe ist dem Mönch zu langsam und macht zu viele Fotos. Deshalb bricht er die Tour ab und wendet sich wieder wichtigeren Dingen zu. Ob dies nun beten oder doch auf dem Smartphone chatten ist, sei dahin gestellt.

Die Mönche in Osttibet hinterlassen bei uns einen zwiespältigen Eindruck. Dies liegt sicherlich auch daran, dass wir sehr touristische Orte besuchten. Auf den abgelegenen Abschnitten unserer Reise erfuhren wir aber den Buddhismus und die Bevölkerung so, wie wir es erwartet haben.

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Gänsemarsch

Wir entschliessen uns, einem der beliebtesten Nationalparks in China einen Besuch abzustatten, dem Jiuzhaigou. Jährlich wird der Park von ca. 1.5 Millionen Besucher gestürmt. Schon in Songpan erahnen wir, was uns im Park erwartet. Ein Reisecar am anderen fährt an uns vorbei Richtung Eingang.

Die Busfahrt von Songpan zum etwa 100 km entfernten Nationalpark ist wunderschön. Dies wäre auch mit dem Fahrrad eine Traumstrecke gewesen, wenn auch mit etwas gar vielen Höhenmetern. Kurz vor dem Park verändert sich dann das Bild schlagartig. Eine Hotelanlage reiht sich an die andere. Unglaublich was hier an Infrastruktur hingestellt wurde.

Pünktlich um 06:30 Uhr stehen wir am nächsten Morgen in der Schlange vor dem Kassahäuschen. Um 07:00 Uhr öffnen sich die Türen und nun ist es vorbei mit der chinesischen Gelassenheit. Die Kassenanlagen werden richtiggehend gestürmt. Nachdem wir den ersten Schock verdaut haben, kämpfen auch wir uns nach vorne und fahren unsere Ellbogen aus, um unseren Platz zu verteidigen. Jahrelange Übung im Anstehen am Skilift in Gähwil ist hier natürlich von Vorteil.

Mit einem der ersten Busse fahren wir nach oben in den Park. Wir entschliessen uns, in der Mitte auszusteigen und uns gegen den Strom der Massen nach oben zu arbeiten. Ein weiser Entscheid, haben wir so den Park eine Zeit lang beinahe für uns alleine. Im Minutentakt donnern die Busse vollgestopft nach oben. Leider ist der Nationalpark noch nicht so fortschrittlich wie viele chinesische Städte und die Busse haben noch nicht auf Elektroantrieb umgestellt.

Irgendwann treffen wir dann aber doch auf die Horden und es ist vorbei mit der Ruhe. Im Gänsemarsch bewegen wir uns in der Masse der chinesischen Touristen langsam von einer Attraktion zur anderen. Bei besonders schönen Punkten gibt es beinahe kein Vorwärtskommen mehr. Zum Glück sind die meisten Chinesen klein gewachsen, so sehen wir doch etwas. Eindrücklich ist auch, was die Chinesen so an Kameraequipment mit sich rumschleppen. Viele Besucher haben mindestens zwei Kameras mit sich - natürlich nicht 2 günstige. Es wäre interessant zu wissen, wie viel der Gesamtwert der Fotoausrüstung, welche an so einem Tag durch den Park getragen wird, beträgt. Ebenso spannend: wie viele Fotos werden an einem Tag geschossen und wie viele werden jemals wieder angeschaut?

Teils waren wir von den Menschenmassen richtig erschlagen, so dass wir die Naturschönheiten gar nicht mehr geniessen konnten. Trotzdem war es ein Erlebnis der besonderen Art, das wir nicht missen wollen.

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Materialschaden

Als wir kurz vor Tongren unser Zelt aufschlagen, checke ich wie praktisch jeden Abend kurz die Laufräder. Genervt stelle ich fest, dass vorne wieder einmal eine Speiche gebrochen ist. Doch als ich das hintere Rad ansehe verfinstert sich meine Miene gleich nochmals. Ein Schwall nicht druckbarer Wörter entweicht mir. Wir haben einen Flanschbruch an der Rohloffnabe. Wie konnte dies nur passieren? Wie soll es nun mit unserer Reise weitergehen? Viele Fragen hämmern in meinem Kopf und an Schlaf ist diese Nacht nicht wirklich zu denken.

Von Tongren aus nehme ich Kontakt zur Firma Rohloff auf, welche sich zum Glück sehr schnell und beruhigend meldet. Wir dürfen mit der Nabe weiterfahren und sie senden uns auf Kulanz ein Ersatzgehäuse nach Guangzhou zu ihrem Importeur. Glücklicherweise ist uns dieses Missgeschick hier in China widerfahren von wo aus wir schnell und relativ günstig einen Flug organisieren können. Wäre dies irgendwo in Zentralasien passiert hätte dies eine mühsame und teure Sache gegeben.

Von Chengdu aus fliege ich in zwei Stunden für zwei Tage nach Guangzhou. Ein komisches Gefühl Alena so alleine zurück zu lassen. Nach über einem Jahr Reisen waren dies die ersten beiden getrennten Tage.

In Guangzhou werde ich freundlich von Cindy und MJ empfangen. MJ betreibt einen Laden für Tourenbikes und die beiden sind selbst begeisterte Tourenfahrer. So waren sie vor 5 Jahren für längere Zeit in Südostasien unterwegs und starten am 9. Dezember zu ihrer grossen Reise. Sie wollen während der nächsten 5 Jahre sämtliche Kontinente beradeln. Es entsteht ein spannender Austausch von Informationen und Reiseplänen. Eventuell treffen wir die beiden sogar noch irgendwo in Südostasien.

Während sich MJ und sein Team um den Austausch der Rohloffnabe und die Neueinspeichung des Rades kümmern, zeigt mir Cindy die Stadt. Mit 16 Millionen Einwohner gehört Guangzhou zu einer der grössten Städte Chinas. Überall wird gebaut und es entstehen viele neue Hochhäuser. Das eindrücklichste ist der neue Fernsehturm, welcher eine Höhe von 600 Metern hat.

Am Abend machen wir einen Ausflug zu einem befreundeten Fahrradgeschäft. Wir fahren per Rad quer durch die Stadt. Dies geht erstaunlich entspannt; in Chinas Städten gibt es jeweils mindestens eine Spur, welche nur für Fahrräder und Elektroscooter reserviert ist. Was auch rege genutzt wird.

Mit einem neuen Rohloffgehäuse im Gepäck und zwei neu gewonnen Freunden mache ich mich auf den Rückweg nach Chengdu. Danke Cindy und MJ für die schöne Zeit in Guangzhou, hoffentlich trifft man sich unterwegs wieder. So hatte der Flanschbruch doch noch etwas Positives an sich.

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Amerikaner?

Mal wieder kommen wir an einem Checkpoint vorbei. Dieses mal im Nirgendwo von China. Wir werden freundlich begrüsst und unsere Pässe werden verlangt. Nach 10 Minuten kommt der nette Polizist mit den Pässen zurück. 

“All ok, you are welcome!” meint er um dann fragend hinterherzuschieben: “Are you from America?”

Na logisch, ich bin der John aus New York. Und was bitte schön hast du während den letzten zehn Minuten in meinem Schweizer Pass kontrolliert? 

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Durch die Reisterrassen

Mit dem Nachtzug fahren wir von Chengdu nach Kunming. Unterwegs machen wir noch einen Abstecher zum schönen Earth Forrest. Der Park ist sehr eindrücklich und wir haben ihn beinahe für uns alleine. Was für eine Erholung nach der Erfahrung im Jiuzhaigou Park. ​

Kunming ist eine riesige Baustelle. Überall entstehen Hochhäuser und eine U-Bahn wird gebaut. Wir verbringen den halben Tag mit der Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft. Die Freude nach dem Frust: im Carrefour entdecken wir Greyerzer-Käse und Emmi Fondue! Was für ein Festessen.​

Am nächsten Mittag verlassen wir die Stadt und scheinen grosses Glück bei der Routenwahl zu haben. Ohne Probleme finden wir einen Weg aus der riesigen Baustelle. Von anderen Tourenfahrern hören wir später, dass sie an einem Tag erfolglos versuchten, aus der Stadt zu fahren und am Abend nach 75 gefahrenen Kilometern entnervt ins gleiche Guesthouse zurückkehrten.

Die nächsten Tag radeln wir verschiedenen Seen entlang und kommen immer öfters an Reisfeldern vorbei. Die ersten Wasserbüffel sind ein Anzeichen dafür, dass wir schon beinahe in Südostasien sind.

Die Reisterrassen von Yuanyang sind unser Ziel. Die Fahrt dahin verlangt uns so ziemlich alles ab. Es ist ein ständiges Auf und Ab und wir legen sogar mehr Höhenmeter zurück als in Osttibet. Die Mühe lohnt sich. Der Anblick der gefluteten Reisterrassen ist einfach überwältigend. Dies scheinen auch einige gewiefte Geschäftsmänner entdeckt zu haben. Zur Zeit entstehen riesige Hotelkomplexe und neue Strassen werden gebaut. Ein grosses Besucherzentrum ist bereits errichtet. In naher Zukunft wird es wohl mit der Ruhe in Yuanyang vorbei sein und auch hier werden dann die Horden chinesischer Touristen einfallen. Jemand erzählte uns sogar, dass die Reisbauern bezahlt werden, um die Terrassen, welche normalerweise nur in den Wintermonaten geflutet sind, nun ganzjährig mit Wasser zu füllen. Dies beschert den Touristen bessere Fotos. Ob dies wohl stimmt? ​

​Nach Yuanyang gehen die Reisfelder langsam über zu riesigen Bananenplantagen. Die Bananen leuchten uns nicht etwa gelb entgegen, sondern werden am Baum in blaue Plastiksäcke gehüllt. Diese schützen die Früchte vor Wind, Sonne und Vögel und steigern somit den Ertrag. Das Ganze hat aber zur Folge, dass überall blaue Plastiksäcke rumliegen oder verbrannt werden.

​Auf dem Weg zur laotischen Grenze fahren wir anschliessend durch zahlreiche Minderheitendörfer der Region Xishuangbanna. Die einfachen Holzhäuser sind oft auf Pfählen gebaut und die Frauen der verschiedenen Dörfer tragen alle traditionelle, sehr bunt verzierte Kleidung. Zum Schluss führt die Strasse durch den wunderschönen und intakten Regenwald eines Naturschutzgebietes. Oft hat uns ein Abstecher auf die nahe gelegene Autobahn gereizt, da wir uns dadurch etliche Höhenmeter sparen könnten. Aber der Anblick der vielen Tiere und die Begegnung mit der lokalen Bevölkerung entschädigt für die Strapazen.

In Mo Han geht dann unser erster Aufenthalt in China zu Ende. Der Grenzübertritt nach Laos verläuft total unproblematisch. Das Visa für Laos erhalten wir direkt an der Grenze und man darf sogar mit dem Velo über diese fahren. Warum nur liebe Chinesen, geht dies nicht überall so?​

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Von Betonpilzen und Knallfröschen

Fast zwei Monate waren wir in China unterwegs. Nicht lang für dieses riesige Land. So haben wir nur einen kleinen Teil bereist und einen beschränkten Einblick in die Kultur und in das Verhalten der Chinesen erhalten. Die von uns besuchten Regionen waren sehr unterschiedlich: Kashgar, Osttibet, Qinghai, Sichuan und zum Schluss der Süden von Yunnan. Es ist extrem, wie viele verschieden Kulturen in diesem Land vereint sind. Offiziell sind 56 Minderheiten anerkannt, wovon die Hälfte in Yunnan leben. Man kann eigentlich unmöglich von dem Chinesen sprechen, noch weniger als man von dem Schweizer sprechen kann. Trotzdem generalisiere ich es hier, da es Eigenheiten sind, denen wir in allen Regionen immer wieder begegnet sind.

Grau in grau

Überall wird gebaut, vieles liegt in Trümmern. Zwei Mal wollten wir eine Unterkunft und einmal ein Restaurant suchen, die in zwei Reiseführern der neusten Ausgabe beschrieben waren. Gibt es nicht mehr! Die waren entweder abgerissen oder verlassen. Historische Bauten werden nicht restauriert sondern werden durch uniforme Gebäude ersetzt.

Vielerorts finden Zwangsumsiedelungen statt, zum Beispiel aufgrund von riesigen Staudammprojekten. Ganze Dörfer werden abgerissen und an einem anderen Ort wieder aufgebaut. Oder die Leute landen in den Wohnsilos, die im Nirgendwo wie Pilze aus dem Boden schiessen.

China verfügt an den meisten Orten über ein sehr gut ausgebautes Strassennetz mit feinstem Asphalt. Trotzdem bauen sie an Orten, an denen es bereits eine einwandfreie und nicht viel befahrene Strasse gibt, nebenan eine neue hin, die schnurgerade durch die Landschaft führt - ungeachtet der Berge, die im Weg stehen. Also entweder Hügel abtragen oder Tunnel bauen. Die Natur wird dem Projektplan angepasst, nicht umgekehrt. Da konnten wir oft nur den Kopf schütteln.

Plastic fantastic

Es versteht sich von selbst, dass bei dieser Bauwut die Umwelt extrem leidet. Doch nicht nur der Beton geht der Natur an den Kragen, sondern auch der Plastik. Das Land versinkt darin und von hier werden die Waren in die Welt geschwemmt. Unglaublich, was China an Plastikschrott produziert, den niemand braucht. Alles ist zwei- und dreifach eingepackt, umweltschonend einkaufen geht nicht. Wenn wir in einem Laden auf die Plastiktüte verzichten, ernten wir verwunderte Blicke. Abfälle landen wie in vielen anderen Ländern allesamt auf dem Boden und werden am Strassenrand verbrannt.

In den meisten Restaurants ist das Geschirrset in eine Folie eingeschweisst, auch die Einweg-Holzstäbchen. Man darf sich gar nicht vorstellen, wie viele Bäume dafür tagtäglich gefällt werden.

Unerträgliche Stille

Chinesen müssen ein ganz anderes Lärmempfinden haben als wir. Für uns ist China laut, extrem laut. Nicht nur der Baulärm ist jederzeit präsent. Immer und überall plärrt Musik, meist an mehreren Orten gleichzeitig. Oder es werden in aller Lautstärke und in der Endlosschlaufe Waren mit dem Megaphone angepriesen. Besonders witzig ist die Müllabfuhr, die Jingle Bells dudelnd ihre Runden dreht.

Musik spielt generell eine wichtige Rolle im Leben eines Chinesen. KTV (Karaoke Television) Schuppen sind auch in den kleinsten Dörfern zu finden. Dort versammelt sich eine Gruppe und dann wird kräftig gelärmt. Einmal waren wir in einem Hotel genau einen Stock über den KTV-Zellen. Das Bett und der ganze Boden haben vibriert. Netterweise durften wir mitten in der Nacht zwei Etagen nach oben ziehen. Das Vibrieren hatte ein Ende, der Katzenjammer war aber immer noch gut zu hören.

Wenn es darum geht, mit dem von anderen aus Spass produzierten Lärm umzugehen, sind Chinesen viel toleranter als wir. Oder ignoranter? Es scheint sich niemand daran zu stören, wenn im Nachtzug oder in einer Wartehalle jemand ungeniert und in voller Lautstärke auf dem iPad Filme schaut oder DJ spielt. Für sie muss Stille wohl unerträglich sein. Liegt daran auch ihre Faszination für Feuerwerk? Bei jeder Gelegenheit lassen sie Knallteufel los und bepflastern dadurch den Boden mit roten Fetzen. An Hochzeiten fährt zuhinterst in der Autoschlange ein Pick-up, auf dem sie es in einer Blechtonne so richtig krachen lassen. Auch als wir im Süden des Landes durch abgelegenes Gebiet fuhren, hat es mitten im Regenwald gekracht und geraucht. Ob sie damit lästige Vögel loswerden wollen? Ein Junge hatte es eines Tages auf zwei schräge aber friedlich gestimmte Kreaturen auf drei Rädern abgesehen und hat uns einen Knallfrosch hinterher geworfen. Wir sind vor Schreck fast vom Rad gefallen, als er unter unseren Reifen explodiert ist!

Das war aber nicht das erste Mal, dass uns während der Fahrt fast das Herz in die Hose gerutscht ist. Denn es ist absolut undenkbar, dass man in China von einem anderen Fahrzeug leise überholt wird. Da muss gehupt werden, und zwar kräftig und am besten gleich wenn man fast schon auf gleicher Höhe ist. Besonders bei grossen Lastern ist dies äusserst angenehm. So richtig entspannt fährt man so den ganzen Tag nicht. Dabei meinen sie es ja nur gut! Das ist auch etwas vom ersten, das in der Fahrschule gelehrt wird. Eines Tages fuhren wir an einer Kolonne von 4 Lernfahrzeugen vorbei und alle haben sie das Hupen geübt. Das ist auch enorm wichtig, denn die Leute laufen ohne nach links und rechts zu schauen einfach auf die Strasse. Oder die Autos und Motorräder biegen in eine andere Strasse ein ohne zu blinken. Wieso sollten sie auch? Die anderen Verkehrsteilnehmer sind ja so freundlich, dass sie einen warnen wenn sie in Sichtweite sind. Da wir nicht in China Rad fahren gelernt haben schlichen wir uns jeweils von hinten an und konnten im letzten Moment noch schreien, um eine Kollision zu verhindern.

Apropos Schreien: darin sind die Chinesen so richtig gut. Das liegt wohl auch daran, dass sie durch das Gehupe und das Gejohle während der Karaoke-Sessions allesamt schwerhörig sind. Anders können wir es uns nicht erklären, dass sie sich nicht in einer für uns normalen Lautstärke unterhalten können. Ziemlich gewöhnungsbedürftig, wenn sich alle ständig anbrüllen. Häufig hatten wir das Gefühl wir beobachten einen Streit, bis alle angefangen haben zu lachen. Die Worte gehören raus geschmettert! Ebenso wie sämtliche Körpersekrete und die Gase, die sich im Laufe des Tages so ansammeln. So wird - auch in Restaurants - ungeniert auf den Boden gespukt, gerotzt, gefurzt, gerülpst, geschmatzt. Sogar die Kleinsten im Tragtuch meistern das Spuken bereits gekonnt.

Aber nicht nur die Rotze sondern auch sämtliche andere Ausscheidungen der Kleinen landen auf dem Gehsteig. Zu diesem Zweck haben sie von vorne bis hinten einen Schlitz in der Hose. Praktisch: hinhocken und laufen lassen oder mit einem Häufchen das Revier markieren. Gemütlich flanieren geht nicht, da läuft man Gefahr sich entweder die Schuhe zu verschmieren oder von einem Jungen genässt zu werden, der sich in Weitpinkeln über den Gehsteig übt. Kein Witz, das ist uns beinahe passiert! Nicht selten haben wir solche Szenen an Orten beobachtet, wo es gleich ums Eck eine öffentliche Toilette gibt. Liebe Chinesen, wie wär’s mit der Anschaffung von robikid’s?

Eine Nasenlänge voraus

Die Unterschiede Stadt/Land sind in China enorm. So arm und rückständig die Leute auf dem Land leben müssen, so fortschrittlich und modern geht es in den Städten zu und her. Da sind sie dem Westen eine Nasenlänge voraus.

Die U-Bahnen sind top modern und der öffentliche Verkehr funktioniert äusserst zuverlässig. Wir haben unser Fahrrad und den Grossteil unseres Gepäcks von Chengdu nach Kunming per Zug vorausgeschickt und sind im Schlafwagen nachgereist. Das hat reibungslos geklappt. Im Zug findet man in jedem Wagen einen Tank mit heissem Wasser - super praktisch für eine Fertignudelsuppe und Kaffee.

Wer nicht mit der U-Bahn fährt flitzt mit dem Elektroscooter auf dem speziell dafür vorgesehenen Radwegen durch die Stadt. Wir finden das fantastisch! Ausser dass man sie nicht kommen hört und die Fahrweise meist ziemlich unkontrolliert ist. Motorräder sind praktisch nur noch auf dem Land zu finden. In ländlichen Gebieten sieht man auch vielerorts Solaranlagen für die Warmwasseraufbereitung auf den Dächern. Und habt ihr schon mal solar- und windbetriebene Strassenlaternen gesehen?

Eine weitere Neuheit war für uns der WeChat. Das funktioniert ähnlich wie WhatsApp, nur dass man die Nachricht spricht statt schreibt. Das Mobiltelefon wird zum Walkie-Talkie. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis auch in Europa jeder mit dem Handy vor dem Mund durch die Gegend läuft. Ich will mir gar nicht ausmalen, was für Auswirkungen dies auf den Pendelverkehr hat.

Schlaraffenland

Auf das Essen in China hatten wir uns bereits Wochen vor der Einreise gefreut. Und wir wurden nicht enttäuscht. Es ist absolut fantastisch und wir konnten uns gar nicht satt essen. In den meisten (Han) Restaurants steht ein riesiger Kühlschrank, der oben mit Gemüse und unten mit Fleisch, Fisch und anderem Undefinierbarem gefüllt ist. Das ist äusserst praktisch, man zeigt auf was man Lust hat und das wird sofort frisch zubereitet. Die umfassende Menükarte von www.leben-in-china.de war dabei jeweils eine grosse Hilfe. Danke Heidi & Markus! Unsere Experimentierfreude hielt sich aber stark in Grenzen. Auf Bienen samt Larven, Maden oder anderes Krabbelzeugs hatten wir schlicht keine Lust. Das mit den Bienen fand ich irritierend. Wer den grossartigen Dokumentarfilm More than Honey von Markus Imhoof gesehen hat, mag sich bestimmt an die Szenen erinnern, in denen Chinesen auf den Bäumen hocken und die Bestäubung übernehmen, da es keine Bienen mehr gibt. Entweder herrscht diese Knappheit nicht im ganzen Land oder es ist ihnen egal, wenn sie die Letzten weg futtern.

Was in unseren Augen ebenfalls schwer zu verstehen ist: in China wird immer viel zu viel Essen bestellt. Am Schluss bleiben Berge an Speisen übrig, die einfach weggeschmissen werden. Angeblich bezahlt der, der bestellt. Und dieser will nicht das Gesicht verlieren, wenn die anderen hungrig ins Bett müssen. Ist es eventuell auch ein Zeichen von Wohlstand, sich solchen Überfluss leisten zu können? Wie wir kürzlich gehört haben soll aber zur Zeit ein Umdenken stattfinden. Wir hoffen es sehr! Denn wenn man die Essenreste aller rund 1,36 Milliarden Menschen in China hochrechnet wird einem halb schlecht.

Pro Stunde oder pro Nacht?

Abgesehen von ein paar wenigen Malen in Osttibet haben wir immer in Hotels übernachtet. Einerseits waren diese an den meisten Orten sehr günstig und sauber, andererseits ist es fast unmöglich, einen ruhigen, unbebauten oder nicht bestellten Flecken Land zu finden. Zudem ist zelten eigentlich strengstens verboten. Da aber (auch) in den Hotels niemand Englisch spricht, hat die Zimmersuche am Ende eines anstrengenden Radtages immer zusätzlich Kraft gekostet. Eines ist klar, Pantomime meistern wir zum Ende dieser Reise in Perfektion. Während ich mich jeweils vor den Augen der Rezeptionisten zum Affen machte, starrten sie mich im ersten Moment oft nur verständnislos an. Wie schwer kann es denn zu erraten sein, was zwei müde, verschwitzte Langnasen in einem Hotel suchen? Immerhin haben sie immer kapiert, dass wir ein Zimmer für eine Nacht und nicht für eine Stunde suchen. Diese sind nämlich ganz offiziell als O’clock Room angeschrieben, und oft findet man im Zimmer auf dem Nachttischchen einen Plastikständer (was sonst!) mit Kondomen und Gleitcrème, manchmal auch mit dem Bild eines keck schauenden Fräuleins samt Telefonnummer.

Hoch das Bein!

Was überall in Parks oder auf öffentlichen Plätzen zu beobachten ist: Tai-Chi, Gruppentanzen (wie’s aussieht manchmal auch durch den Arbeitgeber angeordnet), Frühgymnastik oder Abendturnen. Alle machen mit, ob alt oder jung, fit oder gebrechlich. Es scheint ihnen egal zu sein, was die anderen denken. Wir finden das super! Man stelle sich das mal in Zürich vor: Täglich um 18 Uhr Hüpfen für Hipster auf der Landiwiese. Gratisparkplätze für Rennräder vorhanden.

Auf ein zweites

China verstört, fasziniert, ist anstrengend und regt zum Denken an. Das Land bietet unheimlich viel, landschaftlich und kulturell. Zudem empfanden wir die Chinesen im persönlichen Kontakt als sehr freundlich, hilfsbereit und neugierig. Es ist auf jeden Fall eine Reise wert und wir freuen uns bereits jetzt, im Frühling weitere Gebiete und kulturelle Eigenheiten kennen zu lernen.

Wer sich für dieses Land interessiert oder eine Reise plant, dem empfehlen wir das Buch Bliefe von dlüben vom Journalisten und Satiriker Christian Y. Schmidt. Sehr amüsant und eine gute Vorbereitung auf all die Sonderheiten, die einen Westler im Reich der Mitte erwarten.

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