Kambodscha

22.12.2013 - 22.1.2014 Statistik

Statistik Kambodscha

  1. 31 Tage im Land
  2. 30 Nächte in Unterkunft
  3. Keine Nächte Privat
  4. 1 Nacht im Zelt
  5. 14 Tage im Sattel
  6. 1208 km / 3350 hm
  7. Keine Pannen

Unsere Route auf Google maps

Geduld, Geduld

Wir erleben momentan so viel, dass wir noch keine Zeit hatten, unseren Blog zu aktualisieren. Wir holen dies so schnell wie möglich nach!

Glückstreffer

Frustriert und niedergeschlagen erreichen wir Stung Treng in einem Kleinbus. Unser Pino hängt festgezurrt am Heck. Es ist immer wieder faszinierend, wie kreativ Waren und Güter in den verschiedenen Ländern transportiert werden.​

Die Chance hier in Stung Treng jemanden zu finden, der unseren gebrochenen Aluminiumrahmen schweissen kann, erscheint uns als beinahe aussichtslos. Dennoch wollen wir uns für die Suche einen Tag Zeit geben. Der Gedanke an eine zehnstündige Busfahrt nach Phnom Penh treibt unser Vorhaben weiter an. Zudem haben wir uns riesig auf die abgelegen und kaum befahrene Strecke von Stung Treng nach Siem Reap gefreut.​

Wir quartieren uns in einem günstigen Guesthouse ein. Dies scheint die bevorzugte Unterkunft von Fahrradreisenden zu sein. Zusammen mit unserem Pino stehen noch 5 weitere Tourenräder in der Lobby. Hungrig machen wir uns auf die Suche nach dem im Reiseführer empfohlenen Restaurant. Das Essen schmeckt und auf der Speisekarte sehe ich, dass der Restaurantmanager Busfahrten nach Phnom Penh organisiert. Ich erkundige mich nach dem Preis und ob auch Fahrräder mitgenommen werden können. Er fragt nach, warum wir denn nicht mit dem Velo fahren wollen. Als wir ihm erklären, dass wir einen gebrochenen Rahmen haben meint er: „Kein Problem. Ich kenne jemanden, der dies schweissen kann.“ Wir trauen unseren Ohren nicht. Wir geben ihm zu verstehen, dass es sich um Alu handelt. Wieder lacht er und meint no problem. Vor Kurzem habe ein Tourenfahrer mit gebrochenem Rahmen die ganze Stadt abgeklappert und schlussendlich den einen Mann gefunden, der Aluminium schweissen kann. Wir brechen beinahe in Jubelstürme aus. Das Pünktchen auf dem i: die Werkstatt befindet sich nur gerade 100 Meter neben unserer Unterkunft.​

Am nächsten Morgen schlafen wir erst etwas aus und machen uns dann nervös auf den Weg zur Werkstatt. Als wir dort ankommen will niemand jemanden kennen, der Alu schweissen kann. Haben wir uns zu früh gefreut? Unsere Nervosität steigt weiter an. Man zeigt uns dann aber eine Werkstatt gleich nebenan und dort finden wir unseren Mann tatsächlich. Er schaut sich das Fahrrad an und meint, dass er dies hinkriegt. Mit adäquater Schutzbrille, sprich normaler Sonnenbrille, und geeigneten Sicherheitsschuhen (Flip Flops) macht er sich an die Arbeit. Nach ungefähr zwei Stunden ist unser Rahmen wieder ganz. Es wird sogar ein weisser Lack organisiert und unser Pino erstrahlt wieder in neuem Glanz.

Glücklich machen wir uns am nächsten Morgen auf den Weg nach Siem Reap. Bei jedem kleinsten Knacken steigen wir nervös vom Rad und überprüfen die Schweissnaht. Doch diese hält.

Anmerkung: Von der Firma Hase erhalten wir am ersten Arbeitstag nach den Feiertagen eine E-Mail. Der Rahmen wird umstandslos auf Garantie ersetzt. Wir vereinbaren, dass wir mit dem geschweissten Rahmen weiterfahren werden und den neuen Rahmen in Empfang nehmen, wenn wir von unserer Reise zurückkehren. Besten Dank für den professionellen Service, so sieht guter Kundensupport aus!​

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Kambodscha sucht den Superstar

Nachdem für uns dieses Jahr Weihnachten bereits am 23. Dezember (durch die Reparatur unseres Rahmens) stattfand, verlassen wir Stung Treng am 24. Dezember. Zuerst überqueren wir auf einer überfüllten Fähre ein letztes Mal den Mekong. Hier werden wir auch mit der traurigen Seite Kambodschas konfrontiert. Ein Junge auf dem Boot, wohl so um die zwölf Jahre alt, sucht den Kick, indem er Benzin schnüffelt. Sein Gesicht weist bereits Verätzungen auf und sein Blick wirkt absolut leer.​

Auf der anderen Seite des Mekongs erwartet uns eine Fahrt durch Gegenden, welche sehr selten von Westlern besucht werden. Öffentliche Busse gibt es bis anhin nicht, und wer kein eigenes Transportmittel hat kommt nur per Anhalter dort hin. Die Strasse ist am Anfang noch eine Piste, aber nach 10 Kilometern geniessen wir eine neu gebaute Teerstrasse. Immer wieder fahren wir an kleinen Dörfern vorbei. Die Leute leben hier äusserst einfach und wir sind die Attraktion. So bald wir entdeckt werden wird gerufen und wild gewunken. Unsere Backenmuskeln erhalten ein Intensivtraining, da wir aus dem Strahlen kaum rauskommen.

Dank Heidi und Markus (2roadrunners-on-tour.at) wissen wir, dass nach ca. 80 Kilometern in Chhep ein Guesthouse auf uns wartet. Als wir dort ankommen ist davon aber nichts zu sehen. Nach mehrmaligem Nachfragen finden wir schliesslich die Bretterbude, wo wir Weihnachten verbringen werden. Im Dorf machen wir uns auf die Suche nach einem Restaurant und gönnen uns ein Festessen aus verschiedenen Gemüsen und Reis. Auf dem Rückweg entdecken wir einen grellen Laserstrahl, welcher die ganze Dorfbevölkerung anzieht. Auch uns. Und was uns dort erwartet ist ein Highlight der besonderen Art. Es findet ein Open Air statt, wohl die Suche nach dem nächsten Superstars Kambodschas. Das Gelände gleicht einem Jahrmarkt. Es wird eifrig mit Pfeilen auf Ballone geschossen und auch im Büchsenschiessen kann man sich messen. Die Preise: Plüschtiere, Geschirrsets, Fotorahmen, Waschpulver, Plastikspielzeug und Big Cola, die kambodschanische Variante von Coca Cola. Wir werden gerade Zeugen des Soundchecks. Wobei gecheckt wird hier wohl nur die Lautstärke der Lautsprecher. Einfach mal voll aufdrehen und schauen was die Boxen so hergeben. Ein paar Dezibel weniger würden es auch tun und der Sound käme erst noch ohne zu überschlagen zu uns rüber. Egal, den Kambodschanern gefällt es und wir schätzen uns glücklich, dass wir die Möglichkeit haben, einen Einblick in die lokale Konzertkultur zu erhalten. Genau solche Sachen machen das Reisen für uns zu einem speziellen Erlebnis.

Um 20:30 Uhr geht das Konzert endlich los. Ich glaube den nächsten Superstar Kambodschas haben sie in diesem Dorf nicht gefunden. Dies scheint auch das Publikum zu denken. Applaudiert wird nämlich nicht. Selbst Daniel Kübelböck war ein unglaublich begabter Sänger gegenüber dem, was wir hier zu hören bekommen. Nach drei Songs haben wir uns und unsere Ohren genug gequält. Wir schleichen als erste vom Gelände, auf der Suche nach Erholung. Doch unser Guesthouse liegt ziemlich nahe am Partygelände, und so dringen noch bis Mitternacht schiefe Töne durch die lückenhafte Bretterwand unseres Verschlags.

Die nächsten Tage besuchen wir die Tempelanlagen von Koh Ker und Beng Mealea, welche auf dem Weg nach Siem Reap liegen. Wunderschöne Ruinen und im Gegensatz zu Angkor Wat noch kaum von Touristen besucht. Wirklich sehr lohnenswert. In Siem Reap schliessen wir uns dann wieder den Touristenmassen an und besuchen die weltberühmten Tempelanlagen von Angkor Wat.​

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Helden aus der Heimat

Sonnenaufgang Angkor Wat

Drei Tage nehmen wir uns für die Besichtigung der Tempelruinen von Angkor Zeit. Zwei Tage kurven wir mit dem Tandem im weitläufigen Gelände umher und mischen uns unter die Touristenscharen. Für mich ist es der zweite Besuch innerhalb von 10 Jahren. Damals hatte es zwar schon viele Besucher im Verhältnis zu anderen Orten im Land - doch nichts im Vergleich, was uns jetzt erwartet. Wir werden regelrecht erschlagen! Beim ersten Mal habe ich mit etwa dreissig anderen Nasen den Sonnenaufgang und die morgendliche Stille bei Angkor Wat genossen. Inzwischen verteidigen Hunderte von Touristen jeden Morgen mit Ellenbogen ihren Platz vor dem Seerosenteich, in dem sich die 5 Türme spiegeln. Ein Schauspiel, welches uns noch vielmehr fasziniert als die Silhouette des weltweit grössten Tempelkomplexes. Am dritten Tag besuchen wir mit einer Motorrad-Rischka den 40 Kilometer vom Zentrum entfernten Tempel Banteay Srei - damals wie heute mein absoluter Favorit. Die filigranen Ornamente im rosa Sandstein sind atemberaubend. Wir sind zutiefst fasziniert von den Kunstwerken, welche die Khmer im 9. - 15. Jahrhundert erschaffen haben. Nicht nur von der imposanten Grösse der mehr als Tausend Tempel auf einer Fläche von über 200 Quadratkilometern, sondern auch von den feinen Details, welche die Wände zieren und Geschichten von der damaligen Zeit erzählen.​

Die Ruinen sind aber nicht das Einzige, was uns in Siem Reap beeindrucken. Es leben hier Menschen aus der Schweiz, welche die Heimat hinter sich gelassen haben, um in Kambodscha Grosses zu leisten.

Beat Richner

Einer davon ist Dr. Beat Richner. Für sein aussergewöhnliches Engagement wurde er im Jahre 2002 zum Schweizer des Jahres gewählt. Auch wenn ich schon vor 10 Jahren sein Konzert hier vor Ort besucht habe, freute ich mich bereits vor der Abreise in der Schweiz auf den Moment, ihm in Siem Reap wieder zuhören zu dürfen. Als wir ihm in der ersten Reihe direkt gegenüber sitzen, wird mir bewusst, dass wir einen weiteren Meilenstein auf unserer Reise erreicht haben. Inzwischen tritt Beat Richner im Spital in Siem Reap zwei Mal die Woche als Beatocello auf. Er spielt Cello und erzählt, wie er während den letzten 21 Jahren die 6 Kinderspitäler Kantha Bopha in Kambodscha aufgebaut hat. Er berichtet über die vielen Hürden, über die prekäre Gesundheitssituation im Land und über die fehlende Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation WHO sowie der Pharmaindustrie. Laut WHO steht Erstklassenmedizin nur denjenigen Menschen zu, die selbst für die Behandlungskosten aufkommen können. In einem Land, in dem 80% der Bevölkerung auf dem Land lebt und der Grossteil davon mit weniger als 2 US Dollars pro Tag auskommen muss, ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Kambodscha befindet sich in dieser Hinsicht in einer vergleichbaren Situation wie unzählige andere Länder dieser Welt. Die Weltgesundheitsorganisation schliesst somit einen Grossteil der Weltbevölkerung vom Recht auf Medizin aus. Auf Medizin, die tatsächlich wirkt und nicht zusätzlich schadet.

Beat Richner wird oft vorgeworfen, seine Instrumente und Medikamente seien zu teuer für dieses arme Land. Eine Studie zeigte aber auf, dass die Kantha Bopha Spitäler unter 100 untersuchten Kinderspitalprojekten das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen. Dies scheint nicht Beweis genug. Die Suche nach ausreichenden Spendengeldern ist noch immer ein täglicher Kampf. Denn nur dank Spendengeldern ist es im grössten Kinderspital der Welt möglich, alle Kinder und alle schwangeren Frauen des Landes gratis mit der effektivsten Medizin und frei von Korruption zu behandeln. 14,5 Millionen Kindern konnte bisher geholfen werden. Ein Grossteil von ihnen wäre ohne diese Einrichtung nicht mehr am Leben oder schwerst behindert.

Nicht nur Geld, sondern auch Blut wird dringend benötigt. Unseres haben wir grösstenteils CO2-neutral hierhin befördert. Öko-Blut, sozusagen! Das spenden wir zwei Tage nach dem Konzert mit grosser Freude und mit einem gutem Gefühl. Aus gesundheitlichen Gründen würden wir uns nicht an vielen Orten dieser Welt bedenkenlos stechen lassen. Im Kantha Bopha aber können wir für Sicherheit, Sauberkeit und Professionalität die Hand ins Feuer legen.

Die Kinder Kambodschas sind leider nicht an allen Orten so gut aufgehoben wie in den Kantha Bopha Spitälern. Die Zustände im Land sind teilweise haarsträubend. Und nicht selten trägt der Tourismus seine Mitschuld.

Ein enormes Problem stellt die Kinderprostitution dar. Ein Drittel der geschätzten 40’000 bis 100’000 Menschen, die in der Sexindustrie Kambodschas arbeiten, sind Kinder - teilweise erst 4 Jahre alt. Ungefähr drei Viertel der Betriebe bieten Minderjährige an. Die Sextouristen kommen aus dem Westen, aus Südkorea, Japan und China. Aber Nachforschungen zufolge stammt der grösste Teil aus Kambodscha selbst. Die erschütternde Reportage von CNN The women who sold their daughters into Sex slavery berichtet vom Schicksal dreier Mädchen, deren Jungfräulichkeit von ihren Müttern verkauft wurde. Dies sind keine Einzelfälle und es ist meist der Einstieg in ein Leben als Sexsklaven. Allzu oft scheint dies für viele Eltern der einzige Weg zu sein, um den Forderungen von Kredithaien zu entkommen. Laut Berechnungen von Transparency International liegt Kambodscha an Stelle 160 von 177 im “Korruptions-Wahrnehmungs-Index”. Dies macht es umso schwieriger, gegen ein Bordell vorzugehen und die Kinder zu befreien.

Kinder werden aber auch in anderen Formen missbraucht. Vor allem in der Region Angkor Wat und an weiteren Touristen Hot Spots im Land trifft man auf unzählige Kids, die den Besuchern Postkarten und Souvenirs verkaufen wollen. Die Bilder stimmen uns traurig. Noch trauriger ist es, Touristen zu beobachtet, die den Kindern aus Mitleid 5 US Dollars hinstrecken. Was gut gemeint ist bewirkt genau das Gegenteil. Für die Eltern ist es viel lukrativer, die Kleinen als Verkäufer oder Bettler einzusetzen, als in die Schule zu schicken. Kauft man ihnen etwas ab oder steckt ihnen einfach Geld zu, leistet man so seinen Beitrag, dass sie niemals die Chance auf eine Schulbildung erhalten werden. Eine ähnliche Strategie fahren bettelnde Frauen am Strassenrand, die ihre Babies mit Medikamenten zudröhnen, um mehr Mitleid und somit mehr Gewinn erzielen. Auch beliebt ist zur Zeit angeblich der Babymilch-Betrug in Siem Reap. Die Mütter erbetteln kein Geld, sondern locken die Touristen in ein Geschäft, um Trockenmilch für den Säugling zu kaufen. Kaum sind die Spender verschwunden, kauft der Ladenbesitzer das Pulver zu einem geringeren Preis wieder zurück - eine Win-Win-Situation. Der grosse Verlierer dieses perfiden Spiels: das halb betäubte Kind.

Solche und viele weitere (noch weit schlimmere) Grausamkeiten passieren auf der ganzen Welt. Aber auf dieser Reise sind wir bisher noch in keinem anderen Land so sehr mit diesen Themen konfrontiert worden wie in Kambodscha. Was wir sehen und lesen ist nur die Spitze des Eisbergs. Vieles geschieht hinter einem unsichtbaren Vorhang, an dem wir vorbei radeln und vor dem uns Gross und Klein freudig grüsst.

Ein neues Thema war für uns das Geschäft mit (angeblichen) Waisenkindern. Parallel zu den ansteigenden Besucherzahlen in den letzten 10 Jahren ist auch die Anzahl der privat (!) geführten Waisenhäuser in die Höhe geschnellt. Seltsam, oder? Die traurige Tatsache: Nur ein Drittel der Kinder sind tatsächlich Halb- oder Vollwaisen, die anderen werden von den Institutionen rekrutiert. Familien in Not sehen dies als Chance für ihre Kinder. Sie gehen davon aus, dass sie an einem solchen Ort besser aufgehoben sind, dass sie dadurch Kleidung, genügend Essen und eine Schulbildung erhalten. Die Realität sieht leider anders aus: an vielen Orten werden die Kinder ausgebeutet, die Interessen der Betreiber gehen in eine komplett andere Richtung. Denn der Waisenhaustourismus boomt. Im Urlaub arme Kinder anschauen und für das gute Gewissen Geld spenden liegt im Trend. Es ist somit nicht in ihrem Sinn, die Kinder möglichst gesund und sauber zu präsentieren. Je ärmlicher das Bild der “Waisen”, desto mehr Geld lassen die Touristen springen. Eine Zukunft haben die Jugendlichen, die solche Einrichtungen aus Altersgründen verlassen müssen, praktisch keine.

Diesem Problem haben sich Sara & Paul Wallimann angenommen. Nach einer zweijährigen Weltreise haben sie zurück in der Schweiz den Verein Dragonfly - A Project for Cambodia’s Youth gegründet und anschliessend im Dezember 2011 zusammen mit Stefanie Feierabend das HAVEN Training Restaurant aufgebaut. Dank ihnen erhalten benachteiligte Jugendliche eine Berufsausbildung in der Gastronomie und werden nach dem Abschluss auf der Stellensuche unterstützt. Ein HAVEN Training Guesthouse ist zur Zeit in Planung. Wir sind begeistert vom Konzept, von der Atmosphäre des Restaurants, von der Freundlichkeit der Mitarbeiter und von der Qualität des Essens. Wir entscheiden uns für das westliche Angebot der Speisekarte und schlemmen wie die Könige: Cordon Bleu, Züri Gschnätzlets, guter Rotwein und zum Dessert eine Apfelwähe! Ein Festessen und eine wahre Freude, an einem solch tollen Ort zu speisen und gleichzeitig eine sinnvolle Sache zu unterstützen.

Die Gründer vom HAVEN und Beat Richner sind schöne und beeindruckende Beispiele dafür, was einzelne Menschen auf dieser Welt bewirken können. Sie opfern sich auf, verzichten auf vieles, lassen ihre Heimat, Freunde und Familie zurück und setzen sich unermüdlich für Menschenleben und für eine bessere Zukunft ein. Für mich sind Persönlichkeiten wie sie die wahren Helden unserer Zeit.

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Schwimmschule

​Den Jahreswechsel in Siem Reap verschlafen wir. Am letzten Tag des Jahres waren wir schon vor Sonnenaufgang unterwegs und haben uns nochmals die Tempelanlagen von Angkor angeschaut. Zudem haben wir in Beat Richners Kantha Bopha Kinderspital Blut gespendet. Um 23:00 Uhr siegt die Müdigkeit und wir schlafen friedlich ins neue Jahr hinein.

​Kurz nach 04:00 Uhr ist bereits wieder Tagwach. Unser Ziel ist der Bootssteg vom Tonle Sap. Dies ist der grösste Süsswassersee in ganz Südostasien, zumindest in der Regenzeit. Dann nämlich ändert sich die Fliessrichtung des Tonle Sap Flusses. Hervorgerufen durch den Monsunregen führt der Mekong riesige Wassermengen mit und kann vom Tonle Sap kein Wasser mehr aufnehmen. Anstatt den See zu leeren, füllt er ihn wieder auf. Dies führt dazu, dass der Tonle Sap von einer Grösse von 2’500 auf über 10’000 Quadratkilometer anwächst. Der ganze Prozess ist aber stark gefährdet. Zahlreiche Staudammprojekte in China könnten dazu führen, dass der Mekong in Zukunft viel weniger Wasser mit sich führt. Dies würde das Austrocknen des Sees bedeuten.

Wir fahren von Siem Reap aus per Boot nach Battambang. Der See ist die Lebensader für viele ethnischen Vietnamesen. In Einfachen Bambus- und Wellblechhütten, welche auf Flossen gebaut sind und zusammengebunden werden, bilden sie immer wieder Dorfgemeinschaften. Für uns ist es ein unbeschreibliches Erlebnis, diese Gemeinschaften vom Schiff aus zu beobachten. Unglaublich wie einfach die Personen auf dem See leben. Abwassersysteme gibt es natürlich keine. Die menschlichen und sonstigen Abfälle landen einfach im See, dessen Wasser dann wieder zum Duschen, Waschen und wohl auch zum Kochen benutzt wird.​

Eine schwimmende Primarschule auf dem Tonle Sap

​Um einzukaufen fährt man per Boot zur schwimmenden Migros. Das Wat oder die Moschee ist ebenfalls auf einem Floss gebaut. Von Baumschulen haben wir ja schon gehört, aber von Schwimmschulen? Sogar die Polizeistation und die Post entdecken wir auf einem Floss. Die Fahrt dauert ganze 8 Stunden. Wir geniessen jede einzelne Minute. Allerdings scheinen einige Touristen noch etwas müde von der vorhergehenden Silvesternacht zu sein und verschlafen praktisch die ganze Fahrt. Andere wiederum sind wohl schon so abgestumpft vom Reisen, dass sie sich die Zeit lieber beim Filmeschauen auf dem iPad vertreiben. Alena und ich stattdessen sind beeindruckt und erfreuen uns an den zahlreichen Kindern, welche uns wie wild von den Booten aus zuwinken. Dies obwohl täglich zwei Bootsladungen mit Touristen an ihnen vorbei ziehen. Einfach herrlich und ein toller, sehr eindrücklicher Start in ein neues, sicherlich wiederum sehr spannendes Reisejahr.

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Gestrandet

​In Battambang gönnen wir uns einen Ruhetag, um unsere Kochkünste zu vertiefen. Vannak, der Besitzer des Smokin’ Pot Restaurants, nimmt uns und die anderen sechs Kochschüler mit auf den Markt, um die Zutaten für die zwei Gerichte Fisch Amok und Rind mit Ingwer zu kaufen. Nur schon diese knappe Stunde hat sich gelohnt. Besonders interessant ist für uns der Fischkauf: den lebenden Fischen wird eins über die Rübe gezogen, bevor sie gewogen und filetiert werden. Der ganze Boden ist mit Schuppen, Köpfen und Blut übersät. Ziemlich makaber und rabiat, aber frischer könnte der Fisch fast nicht sein. Das Kochen macht unglaublich Spass und das Essen ist fantastisch. Hoffentlich verlernen wir das nicht, bis wir wieder zu Hause sind!

Eigentlich wollten wir am nächsten Tag weiter, aber eine Erkältung und ein verstimmter Magen (nicht vom Kochkurs, wohlgemerkt) entziehen mir alle Kraft. Wir bleiben deshalb ein paar Tage länger und erholen uns für die Weiterfahrt. Schliesslich haben wir ja genügend Zeit - denken wir zu diesem Zeitpunkt noch.

Als wir endlich wieder los kommen, taucht bereits das nächste Problem auf. Ich schwitze nicht genügend! Ein Déjà-vue aus dem Iran und aus Zentralasien. Ja ja, ich weiss genau was ihr denkt: «Buaaah, die Glückliche, das sollte MIR mal passieren!» Aber ich sage euch, lustig ist das nicht. Denn ohne Schweiss keine Abkühlung, die ganze Hitze staut sich im Körper und der Kopf schwillt an. So sehr, dass ich sogar nach einer gewissen Zeit den Helm lockern muss. Tja, und bei erweiterten Gefässen in der Birne ist auch die Migräne nicht weit. Statt einer Nacht in Pursat bleiben wir sechs (!), da die Attacken ziemlich hartnäckig sind und wir erst wieder los wollen, wenn ich genügend bei Kräften bin. So hab ich das nicht gemeint, als ich mir neulich gewünscht habe, einfach mal wieder ein paar Tage nichts zu tun. Wir sind also gestrandet in einem Kaff ohne Sand, ohne Meer und ohne irgendwelche interessanten Beschäftigungsmöglichkeiten für Marcel. Das ist bestimmt die Strafe für seine Sticheleien: «Ist doch logisch schwitzt du nicht, du sitzt auch den ganzen Tag faul vorne drauf und lässt dich von mir um die Welt kutschieren!»

Nach einer Woche geht es endlich weiter, doch der Dämpfer kommt schon mit dem Mittagessen - die nächste Attacke legt mich flach. Das gleiche Spiel am Tag darauf. Ziemlich fertig erreichen wir Phnom Penh. Geplant wäre ein Ruhetag gewesen, doch schnell ist klar, dass ich am nächsten Tag nicht fit genug bin für die zwei Sachen, die wir in der Hauptstadt sehen wollen: das Folter- und Verhörzentrum S21 (eine ehemalige Schule) und die Killing Fields namens Choeung Euk. Nach einem Ruhetag bin ich wieder soweit auf den Beinen, dass ich mich mit der grässlichen Vergangenheit des Landes auseinander setzen mag.

Zwischen 1975 und 1979 haben die Roten Khmer unter der Führung von Pol Pot in ihrem Säuberungswahn über 2 Millionen Kambodschaner (30% der Einwohnerzahl) gefoltert und auf brutalste Art und Weise ermordet. 3 Jahre, 8 Monate und 20 Tage hielt der Schrecken an. Ihr Ziel war ein isolierter und komplett selbstversorgender Bauernstaat. Märkte, Schulen, Zeitungen, Religion und Privatbesitz wurden verboten, Erwachsene wie Kinder zu Feldarbeit gezwungen. Schätzungsweise 1.5 bis 3 Millionen Kambodschaner verhungerten oder arbeiteten sich zu Tode. Wer sich auch nur im Geringsten widersetzte, bezahlte mit dem Leben. Gebildete Leute wurden eliminiert. Als intellektuell galt schon wer weiche Hände hatte, eine Fremdsprache beherrschte oder eine Brille trug. Alle die älter sind als wir haben diesen Terror durchlebt. Wenn wir älteren Menschen begegnen frage ich mich oft, was sie und ihre Familien durchlitten haben. Und auch, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Hier in Kambodscha, aber auch Genozide in Deutschland, Burundi, Ruanda und in anderen Ländern.

Dagegen wirkt mein Problemchen mit der Wärme und all die Sorgen, die man ein Leben lang mit sich rumschleppt, absolut mickrig. Trotzdem müssen wir uns überlegen, wie wir unter diesen Umständen unsere Reise in Kambodscha und in weiteren heissen Gegenden fortsetzen können. Per ÖV an den Strand und danach mit all unseren sieben Sachen im Bus nach Bangkok? Myanmar einen Monat mit dem Rucksack bereisen? Das passt uns alles nicht in den Kram, wir wollen es weiterhin mit dem Fahrrad versuchen.

Konkret heisst das: vor Sonnenaufgang los, lange Kleidung tragen (damit die Sonne die Haut nicht aufheizt und austrocknet) und jede Menge Wasserflaschen zum Trinken und Abkühlen mitschleppen. Etwa alle 10 Kilometer halten wir für eine Duschpause. An jedem Vormittag schütte ich mir 4.5 Liter über den Kopf, auf die Arme und über das Tuch, welches ich um den Nacken trage. Zudem trinken wir noch vor dem Mittag je 4 Liter Wasser. Dieses kommt bei Marcel in regelrechten Bächen wieder aus den Poren raus. Ich gebe es fast genau so ans Gestrüpp am Strassenrand weiter. Der dunkelhäutige Toni, meine erste Puppe, kommt mir in diesem Momenten in den Sinn. Dem konnte ich oben Wasser eingeben und unten kam es sofort wieder raus. Damals fand ich das ganz lustig.

Der Plan geht auf, wir bringen die Tagesetappen von 80 bis 100 Kilometern jeweils bis zum Mittagessen hinter uns und können uns während der heissesten Tageszeit erholen. Eine Freude ist Rad fahren unter diesen Umständen jedoch nicht. Die Pausen gleichen fast schon einem Boxenstopp - jede Sekunde zählt! So schnell wie möglich ans Ziel kommen, nur keine Zeit verlieren wenn es noch ein paar Grad kühler ist. So nimmt man sich auch keine Zeit für Fotos oder für Begegnungen unterwegs.

Zwei Tage nach Abfahrt in Phnom Penh kommt für uns ein ganz besonderer und sehnlichst erwarteter Moment: nach 12’683 Kilometern im Sattel sehen wir zum ersten Mal seit Istanbul das Meer. Wir haben den Golf von Thailand erreicht! Die Hühnerhaut rast einmal längs über den Körper. Eine Abkühlung bringt sie zwar nicht, aber schön ist’s trotzdem. Wir freuen uns, diesen Meilenstein mit den Schweizer Tourenfahrern Simi und Sämi geniessen zu dürfen. Zur Feier des Tages präsentiert sich der Himmel in allen Farben, und Fischerboote posieren ganz kitschig genau vor unserer Blickrichtung.

HIER wären wir gerne gestrandet. Aber unser Visa läuft bald aus, die geplanten Strandferien an der Küste Kambodschas sind leider ins Wasser gefallen. Für einen Tag am Meer reicht es aber dennoch. Wir tuckern auf die Rabbit Island und legen für einen Tag die Füsse hoch, bevor wir wieder in die Pedale treten. Thailand ruft!

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