Geduld, Geduld
Wir erleben momentan so viel, dass wir noch keine Zeit hatten, unseren Blog zu aktualisieren. Wir holen dies so schnell wie möglich nach!
Wir erleben momentan so viel, dass wir noch keine Zeit hatten, unseren Blog zu aktualisieren. Wir holen dies so schnell wie möglich nach!
In Sary-Tash heisst es Abschied nehmen. Mit Manuela und Philipp waren wir fast zwei Monate durch Usbekistan und Tadschikistan geradelt, Esther stiess während 5 Wochen dazu. Ein seltsames Gefühl, die drei davon fahren zu sehen und alleine zurück zu bleiben. Danke euch für die fantastische Zeit!
In zwei Tagen fahren wir über zwei weitere Pässe nach Osh. Die zweitgrösste Stadt Kirgistans ist mindestens 3000 Jahre alt und war ein wichtiger Knotenpunkt der Seidenstrasse. Ist er eigentlich immer noch, und belebt ist die Stadt auch in der heutigen Zeit. Das Verkehrschaos erschlägt uns fast - ein krasser Kontrast zu den menschenleeren Hochebenen der letzten paar Wochen. Nach dem ersten Schock geniessen wir den wiedergewonnen Luxus aber sehr. Die heisse Dusche, das leckere Essen, die Biergärten und nach langer Zeit endlich wieder Internetzugang. In unserem Stammlokal California schlagen wir uns die Bäuche mit Pizza, hausgemachten Ravioli, Züri Gschnätzletem mit Röschti (!) und üppigem Frühstück voll. Ein schlechtes Gewissen brauchen wir keins zu haben - die verlorenen Kilos müssen wir möglichst schnell wieder anfuttern.
Osh ist auch der Ort des Wiedersehens. Ganz überraschend treffen wir am gleichen Tag Thesi, Thano und Noélie & Philipp wieder. Wir geniessen den Austausch und sind einmal mehr erstaunt, wie sich die Wege der Reisenden immer wieder kreuzen.
1 KommentareZum zweiten Mal auf der Strecke Osh - Naryn verlangsamt ein Lieferwagen und der Beifahrer fragt uns mit Handzeichen, ob wir mitfahren wollen. Ein verlockendes Angebot bei dieser miesen Strassenqualität und dem ständigen Auf und Ab. Trotzdem lehnen wir dankend ab. Der Wagen braust unter einer Staubwolke davon.
“Hoffentlich passiert nicht dasselbe wie beim letzten Mal.”
Kurz nachdem wir damals abgelehnt haben, ist der Reifen unseres Hinterrades explodiert.
Ich kann gerade noch sagen “Denk nicht so was!”.
Ein Knall.
Wir fühlen uns wie Statisten in einem schlechten Film. Es ist wie verflixt in Kirgistan, die Pannenstatistik ist steil in die Höhe geschossen. Wir haben 4 gebrochene Speichen und 2 explodierte Reifen zu verbuchen. Davor sind wir mit 2 Plattfüssen und einer gebrochenen Speiche davon gekommen. Aber genug ist genug, bereits in Tadschikistan haben die teils ruppigen Strassen und die Schlaglöcher unserem Material (und uns) stark zugesetzt. Und obwohl wir gehört haben, wie schlecht die Strasse über Kazarman nach Naryn ist, haben wir uns für diese Route und somit gegen die geteerte Hauptstrasse entschieden. Wenn wir den verrückten Autofahrern ausweichen können, nehmen wir gerne ein paar Pässe und Schotterpisten in Kauf.
Anmerkung für alle, die diese Strasse fahren wollen: es ist ein Kampf und wir haben uns ein paar Mal gefragt, ob es ein Fehler war. Es war die anstrengendste Etappe der bisherigen Reise. Die wunderschöne Gegend entschädigt aber für die Strapazen. Im Nachhinein hat es sich für uns trotzdem gelohnt.
Zurück zu unserem Problem. Nun heisst es alles abladen, das Pino auf den Kopf stellen und Schlauch und Reifen wechseln. Weil bei unserem zweiten Pneu die Wand bereits ein wenig ausgerissen war, haben wir in Kazarman vorsichtshalber einen neuen Reifen gekauft. Der beste, der zu finden war: Modell China, mit maximal 100 Kilo belastbar. Hoffentlich ein schlechter Witz! Als wir den Reifen aufpumpen, fällt er bereits auseinander. Der ganze Pneu ist ein Witz.
So stehen wir also da mit 3 kaputten Reifen und zwei geflickten Schläuchen. Natürlich kommt kein Laster mehr vorbei, der uns mitnehmen könnte. Wir versuchen es mit Kleben, aber nach ein paar Minuten Fahrt drückt der Schlauch durch und droht mit einer dritten Explosion. Also laden wir alles wieder ab und greifen zum letzten Mittel: der Nähnadel. Marcel nimmt sich überraschend der Aufgabe an. Ich versteh schon, Gummi nähen ist attraktiver als Stoff, das gibt auch schön schwarze Pfoten. Zwei Mal drüber und fertig ist das Flickwerk. Wie schön, ich entdecke immer wieder neue Fähigkeiten an meinem Mann.
Nun aber auf schnellstem Weg nach Naryn. Wir sind noch 7 Kilomter von Ak-Tal entfernt, ab da bis ins 100 Kilometer entfernte Naryn ist die Strasse geteert. Wir fahren am Abzweiger zum Song-Kul vorbei, zu dem wir eigentlich wollten. Aber mit einem genähten Reifen 190 Kilometer Umweg auf schlechten Strassen fahren ist uns zu riskant.
Dachten wir zuerst. Als wir am Abend gemütlich bei einem Bier neben unserem Zelt sitzen und Richtung Berge schauen, finden wir die Idee gar nicht mehr so abwägig. Mit jedem Schluck ein bisschen weniger. Ein kurzer Check: Ak-Tal, 15 Grad, der Pneu hält. Also los! Am nächsten Morgen fahren wir die 10 Kilometer zum Abzweiger zurück und stechen in die Berge, dem See entgegen.
Es war die beste Entscheidung. Die Strasse ist nicht mehr ganz so rutschig wie zuvor, die Steigung am Pass ist angenehm und die Landschaft wunderschön. Es gibt auf dieser Hochebene um den See keine Häuser, nur Jurten. Viele sind schon abgebrochen, im Frühling und Hochsommer muss es hier davon wimmeln. Die Wiesen und Hügel sind schwarz, braun und weiss gesprenkelt: tausende Pferde, Kühe, Schafe und Ziege spazieren herum und grasen die letzten Halme ab. Einige sind permanent von Hirten begleitet, andere laufen frei herum und werden am Abend wieder eingesammelt.
Zum ersten Mal schlafen wir in einer Jurte. Wir sind zu Gast bei Mayram und Ahmad, die dieses Erlebnis an Touristen verkaufen. Sie kümmern sich rührend um uns und verwöhnen uns mit einfachem aber leckerem Essen.
Vor dem Abendessen geben sie uns zu verstehen, dass sie ein Schaf schlachten werden. Ich bin entsetzt, da ich Schafsfleisch des Geschmacks wegen beim besten Willen nicht runter kriege. Mit Händen und Füssen mache ich ihnen klar, dass sie dies für uns nicht tun müssen, dass wir ohne Fleisch mehr als zufrieden sind. Die beiden brechen in herzhaftes Gelächter aus. Sie meinen ich sei traurig, dass ein Tier stirbt und verschieben für mich die Exekution auf den nächsten Mittag. Das Fleisch war gar nicht für das heutige Abendessen gedacht. Es wird das Ehepaar und einen ihrer Söhne die nächsten 10 Tage ernähren.
Zu fünft schlafen wir in der Jurte, unter mehreren Schichten aus schwerer Decken. Am Morgen geniessen wir den Anblick der einfallenden Lichtstrahlen durch das Dach und die Ritzen der Jurte.
Auch wenn wir in Kirgistan ein paar Mal Pech hatten mit Pannen, steht uns doch auch das Glück zur Seite. So fängt es exakt in dem Moment an zu regnen, als wir nach 12 Tagen Fahrt auf Staubpisten in die Teerstrasse nach Naryn einbiegen. Eine üble Schlammschlacht bleibt uns erspart. Am nächsten Tag liegt die ganze Gegend um den Song-See unter einer Schneedecke.
0 KommentareWas macht ein Mann, der mit der linken Hand ein Post-it-Block festhält, das Handy zwischen Ohr und Schulter geklemmt hat und dabei eine Nummer aufschreibt?
Ist doch logisch: er steuert ein Taxi. Mit dem linken Ellenbogen, bei Tempo 80 plus.
Dass er ganz nebenbei auch noch für das Leben der 7 Insassen verantwortlich ist, scheint ihn nicht zu interessieren. Wir sind ihm und seiner miserablen Fahrweise über 5 Stunden ausgeliefert, auf der ganzen Strecke von Naryn bis Bishkek.
Marcel musste vorne links Platz nehmen. Der Wagen ist - wie angeblich rund 52’000 Autos in Kirgistan - rechts gesteuert. Die sind günstiger im Import. Der Haken: die Fahrer müssen beim Überholen ganz auf die linke Spur wechseln um zu sehen, ob die Gegenfahrbahn frei ist.
Ob da was kommt scheint ihnen häufig egal zu sein. Immer wieder haben wir beobachtet, wie sie blind in einer Kurve überholen. Jeden Moment muss man damit rechnen, von einem entgegen kommenden Auto während des Überholmanövers über den Haufen gefahren zu werden. Nicht selten überholen sie zu zweit einen Laster und belegen die ganze Breite der Gegenfahrbahn. Nicht so lustig, wenn man auf dem Fahrrad sitzt und blitzschnell die Strasse verlassen muss, um den Idioten Platz zu machen. Einmal wurden wir von einem Lastwagen laut hupend in die Mitte gedrängt, damit er in hohem Tempo knapp an uns vorbei donnern kann. Rechts.
Ein weiteres Problem stellt der Alkohol dar. Wie in vielen Ländern der ehemaligen Sowjetunion gehört dieser hier einfach dazu. Nach 17 Uhr sind wir konsequent nicht mehr gefahren. Autofahrer haben uns aber auch schon morgens um 10 Uhr Wodka angeboten. Powershot auf kirgisisch. Na dann Prost.
Von anderen Reisenden haben wir gehört, dass man den Führerschein leicht gegen Bezahlung erwerben kann. Laut diesem Bericht zusammen mit der Bestätigung für die absolvierte Fahrschule. Das allerdings erklärt einiges.
Wir sind froh, dass wir hauptsächlich auf Nebenrouten unterwegs waren. Sie rasen auf diesen Pisten zwar auch mit überhöhtem Tempo und bremsen wegen Radfahrern oder Tierherden kein bisschen ab. Aber immerhin kann man diese Momente pro Tag fast an einer Hand abzählen.
0 KommentareEinmal mehr kommt es anders als geplant. Vier Tagesetappen und zwei Pässe trennen uns noch von China. Als ich am Morgen des ersten Tages aufwache, kann ich mich kaum bewegen: ich habe mir in der Schulter einen Nerv eingeklemmt, an Fahrradfahren ist nicht zu denken. So ein Mist! Wir haben uns auf die Fahrt über den Torugart-Pass gefreut und hatten die Sonderbewilligung für diese Region bereits in der Tasche. Selber fahren ist insgesamt zwar nur CHF 60.- günstiger als mit einem Transport, aber die Gegend muss sehr schön sein. Abwarten bis ich wieder fahrtüchtig bin ist keine Option, da die Chinesen wegen ihres Nationalfeiertags in ein paar Tagen die Grenze eine Woche lang schliessen. Zusätzlich zu jedem Wochenende, versteht sich. Und da der Feiertag auf einen Dienstag fällt machen sie selbstverständlich am Montag ebenfalls dicht. So bleibt uns nichts anderes übrig, als ein Fahrzeug zu organisieren.
Wir trauen unseren Augen nicht, als ein stinknormaler Personenwagen (Marke Mazda) vor unserer Nase hält und der Fahrer den Kofferraum öffnet. Soll das ein Witz sein? Da rein wollen sie unser Tandem, den Anhänger, das ganze Gepäck und uns zwei laden? Wir werden richtig sauer, als sie nach dem fünften Mal erklären immer noch nicht kapieren, dass es aussichtslos ist. Jeder Widerstand bringt nichts, wir müssen das Pino auseinander schrauben und ins Auto würgen. Erst als der PW mit Velo und Anhänger schon gut gefüllt ist und sie sehen, wie viel Gepäck da noch rein soll, teilen sie uns mit, dass sie ein grösseres Auto organisieren müssen. Welch Überraschung.
Als wir am nächsten Morgen komfortabel in einem Minivan Richtung chinesische Grenze rollen, stellen wir erleichtert fest, dass wir landschaftlich nicht viel verpassen - wir haben uns die Region spektakulärer vorgestellt. Das kann aber durchaus auch am diesigen Wetter liegen, welches die Fernsicht verdirbt.
Auf diesen Metern gehen unsere 15 Wochen in Zentralasien zu Ende. Wir blicken zurück auf eine fantastische und abwechslungsreiche Zeit in vier komplett unterschiedlichen Ländern. Es war alles dabei: brutale Hitze (54°C) bis Temperaturen unter Null und Schneegestöber, herrliche Campingplätze, menschenleere Gegenden, üble Pisten und feinster Asphalt, dünne Höhenluft und versmogte Städte, traumhafte Landschaften, Pechsträhnen mit Krankheiten und Pannen. An fast allen Orten wurden wir herzlich empfangen.
So abwechslungsreich die Erlebnisse, so einseitig war das Essen. Frisches Gemüse und Obst war in vielen Regionen schwer zu finden, besonders im Pamir. Und wenn, dann gab es nur Kartoffeln, Karotten, Kohl, Peperoni, Zwiebeln und Knoblauch, ab und zu noch Gurken und Äpfel - eben alles, was den langen Transport in die Höhe überlebt und eine Zeit gelagert werden kann. Wir ernährten uns hauptsächlich von Fertignudelsuppen (mittags), Reis mit Bohnen aus der Dose (und falls vorhanden mit frischem Gemüse) und Pasta mit Sauce aus Tomatenpüree. Und kiloweise Snickers! Ihr könnt euch bestimmt vorstellen, dass unsere Vorfreude auf das Essen in China mit jedem Tag stieg. Die Städte Bukhara, Samarkand, Dushanbe, Khorog, Osh und Bishkek waren unsere kulinarischen Oasen - wir genossen das vielfältige Angebot und schlemmten wie die Verrückten.
Wer sich für Zentralasien interessiert, dem empfehlen wir das Buch Tamerlans Erben von Peter Böhm. Die elektronische Version wimmelt zwar von Schreibfehlern; trotzdem ist es sehr informativ und spannend, besonders wenn man in dieser Gegend unterwegs ist.
Absolut sehenswert ist zudem die DOK Serie Seidenstrasse des Schweizer Fernsehens. Peter Gyslin reist zusammen mit einem Kamerateam von Venedig nach X’ian in China und besucht viele Orte, die ebenfalls auf unserer Route lagen. Er kommt auch in Kashgar vorbei, unserem ersten Ziel in China. In diesem Sinne: ab über die Grenze!
0 Kommentare